Berlinale

Die diesjährige Berlinale hatte einiges zu bieten. Es gab mystische Wesen zu entdecken, den Untergang des gerade erst aufgegangen Sternes des südkoreanischen Kinos sowie einiges an Psychotischem. Langweilig ist es dabei nie geworden. Endlich hat es dieses Jahr also mit mir und der Berlinale geklappt. Meine bahnbrechenden Erkenntnisse und persönlichen Highlights möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten. Für mich war der Besuch ein voller Erfolg und ich freue mich bereits auf das nächste Festival. Die Berichterstattung soll dann hier auch zum festen Bestandteil des Blogs werden.


„High Ground“ – Western, Australien – Bewertung 6/10

Los ging es Sonntag Abend mit dem australischen Film High Ground und einer Special Gala Vorführung. Das heißt große Teile des Teams, u.a. der Regisseur Stephen Johnson und einige der Schauspieler*innen waren anwesend. Der Film, von mir ausgesucht wegen meiner Liebe zum Western und dem australischen Kontinent, konnte zumindest in Teilen überzeugen. Kam es doch zu einer recht intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus, der gerade in Australien nach wie vor ein großes Thema zwischen indigener und zugewanderter Bevölkerung ist. Es gab fantastische Bilder aus der Vogelperspektive über dem Northern Territory. Der Regisseur betonte auch nach dem Film, dass ihm dieser Einbezug der australischen Natur von besonderer Relevanz für die erzählte Geschichte sei. Der weitgehend überzeugenden Schauspielleistung stand jedoch leider eine Geschichte gegenüber, die nicht wirklich Tiefgang hatte und sich letztlich in einem alles entscheidenden Shootout auflöste. Dennoch ein guter Start ins Festival und für Liebhaber des Westerns eine lohnende Empfehlung. Wann und ob der Film es jedoch in die deutschen Kinos schaffen wird ist wohl noch nicht sicher.


„Undine“ – Drama/Romanze, Deutschland – Bewertung 7/10

Christian Petzold entführt uns in seinem neuesten Werk ins Berlin der Jetztzeit. Er setzt hier jedoch den Weg fort, den er mit seinem Vorwerk Transit eingeschlagen hat, indem er seiner Geschichte neben der Romanze noch eine weitere (Genre-) Ebene hinzufügt. So greift er den Undinemythos auf, ein Wasserwesen, gleich einer Nymphe, die ihrem untreuen Gatten den Tod bringt. Die Liebelei zwischen Paula Beer (Undine) und Franz Rogowski (ein Industrietaucher) funktioniert dabei – mal wieder – hervorragend. Bei der Ebene des Mystischen hätte man sich hingegen ein bisschen mehr Mut zum Genre gewünscht. Der Film kommt in weiten Teilen doch sehr dem allsonntäglichen Tatort nahe und verspielt so die Chance auch in Deutschland mal wieder einen runden Genrefilm zu präsentieren. Lange Szenen, in denen Undine schlicht gewissenhaft ihrer Arbeit als Historikerin nachgeht und einen sich immer wieder wiederholenden Vortrag über Berlin hält, bleiben unerklärlich und mysteriöser als der eigentliche Mythos der Undine. Reißen einen teilweise gar heraus aus der geschaffenen Phantastik. Der Film läuft demnächst auch in den deutschen Kinos an und wurde heute für den goldenen Bären als bester Film nominiert. Sicherlich etwas für Liebhaber romantischer Komödien mit Schweighöferauftritt oder Leuten, denen Shape of Water zu gruslig war.


„Siberia“ – Drama, Italien/Deutschland/Mexiko – Bewertung 7/10

Abel Ferraras neues Werk zeigt uns Clint (Willem Dafoe), einen Mann älteren Alters, der mit den Erinnerungsfragmenten eines Lebens ringt. Ausgangspunkt für diese Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche ist eine abgeschiedene Holzhütte im zwielichtigen Sibirien. Dort wohnt Clint, der offensichtlich mit dem (sozialen) Leben abgeschlossen hat und fortan die Einsamkeit der sibirischen Berge sucht. Hier hat das Licht selbst bei Sonnenschein einen ungesund grünen Glanz, der Nebel umhüllt die Bergketten meist unheilschwanger. Der Film zeigt, immer wieder zwischen verschiedenen Träumen hin- und herspringend, die Hochs und Tiefs eines bewegten Lebens. Kenner Ferraras sehen hier wohl auch eine gewisse autobiografische Aufarbeitung des Lebens des Regisseurs. Dieser Beitrag hat mir von meinen vier Filmen definitiv am besten gefallen. Hier wird etwas gewagt. Hier gibt es Ecken und Kanten und die ein oder andere Szene, die man so noch nicht gesehen hat. Vor allem aber tut der Film eines. Zum Nachdenken anregen. Damit hat er seinen Mitkonkurrenten bereits eine Wagenlänge voraus. Der Film wurde jüngst für den goldenen Bären als bester Film nominiert und erscheint demnächst im deutschen Kino. Sehempfehlung für Liebhaber der gollumschen Solitüde und grenzwertigen Sexszenen, wie sie in Von Triers Antichrist zu sehen waren.


„Time to Hunt“ – Crime/Sci-Fi/Drama, Südkorea – Bewertung 4/10

Es hätte alles so schön sein können. Noch überwältigt vom letztjährigen Primus Parasite und der immer währenden Liebe zum Science Fiction Kino war für mich keine lange Überlegung nötig, ob ich das Ticket für den südkoreanischen Time to Hunt lösen sollte. Umso enttäuschter blieb ich hier zurück. Sung-Hyun Yoons Film ist in weiten Teilen ein Totalausfall. Zunächst wird man in eine hoffnungsnährende utopische Szenerie des Koreas der nahen Zukunft geworfen. Der Film sieht tatsächlich auch jenseits der ganz großen amerikanischen Geldtöpfe sehr solide aus und hört sich auch gut an. Der Soundtrack und das Sounddesign können der internationalen Konkurrenz durchaus Parole bieten. Das Drehbuch bzw. die „Geschichte“, die hier „erzählt“ wird hingegen kann dieses Niveau bei Weitem nicht halten. Über 134 Minuten wird hier eine vollkommen belanglose Story ausgewälzt, die mit einem Heist à la Oceans Drölf anfängt und sich dann in ein lächerliches Katz und Mausspiel à la No Country for Old Men entwickelt. (Allein den Namen des letztgenannten Films in einem Atemzug mit Time to Hunt zu nennen ist eine Beleidigung für das ganze Genre.) Derart belanglose Dialoge hab ich zuletzt in einem Worst-Of Zusammenschnitt der Lindenstraße gesehen. Höhepunkt dieser Ansammlung an Unsäglichkeiten ist eine Szene, in der der Hitmen (angestellt, um das erbeutete Geld zurück zu holen) nachdem er die vier kasinoraubenden Hallodries gestellt hat, ihnen fünf Minuten gibt, um wieder entkommen zu können. Ich kann hier beim besten Willen keine Sehempfehlung aussprechen. Eventuell könnte dieser Film Leute interessieren, die das Colorgrading bei Fack ju Göhte als gelungen empfanden oder Til Schweiger für einen guten Drehbuchautor halten. Dann könnte sich hier eine südkoreanische Perle der Filmkunst auftun. In diesem Fall empfehle ich aber parallel die Konsultation eines Nervenarztes.

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