Christopher Nolan ist zurück. Und das mit einem Techno-Rave von einem Agententhriller. Mit ins Boot holt er sich den talentierten schweizer Cinematographen Hoyte Van Hoytema, der schon für Interstellar und Dunkirk hinter der Kamera stand. Zudem bekommt Michael Caine einen kurzen (Abschieds-)Moment. Der Mann der Stunde ist wieder mal Robert Pattinson.
Aber um was geht es eigentlich? Ich möchte diesmal ein bisschen weiter ausholen – ohne groß zu spoilern. Zum einen, um allen die den Film noch schauen möchten bereits ein paar Grundfakten an die Hand zu geben, um sich in der Hitze des Gefechts zurecht zu finden. Und andererseits denjenigen, denen nach dem Schauen ein Fragezeichen im Gesicht steht ein wenig auf die Sprünge zu helfen.
Der Grundplot ist schnell erklärt. Der Agent Protagonist (John David Washington) ist auf einer Mission zu verhindern, dass der russische Superschurke Sator (großartig, Kenneth Branagh) mit einer mysteriösen Waffe, die Welt vernichtet. Sator handelt dabei im Auftrag der zukünftigen Generation. Diese möchte die jetzige Generation auslöschen, da der von ihr verschuldete Klimawandel die Welt weitgehend unbewohnbar gemacht hat.
Nolan spinnt hier sein Leitmotiv weiter. Die Zeit. So erzählte er in Memento den Film geschickt von hinten nach vorne, ließ in Inception und Interstellar Zeit subjektiv unterschiedlich ablaufen – je nach Traumebene oder Planet auf dem man sich befand. In Dunkirk erschaffte er durch die Gleichzeitigkeit der Montage der einzelnen Erzählstränge einen ganz eigenen, revolutionären Erzählstil, den man so bei einem Kriegsfilm noch nicht gesehen hatte und der eine ganz eigene Sogwirkung entfaltete. Hier treibt er nun sein Spiel mit der Zeit auf die Spitze. In der Zukunft hätten Wissenschaftler die Möglichkeit gefunden die Entropie von Gegenständen (und sogar Menschen) zu invertieren. Das führt nun dazu, dass diese sich rückwärts in der Zeit bewegen. Das Gesetz von Ursache und Wirkung ist auf den Kopf gestellt – was auch für den Film grundlegende Auswirkungen hat.
Nie kann man hier sicher sein, wer sich eigentlich gerade wann befindet. Ist Protagonist nun ausführender Agent oder gar Auftraggeber der Mission Weltrettung? Wie kann man einen Schurken bezwingen, der auf Grund geschickter Zeitzangenmanövern immer einen Schritt voraus ist, und vor dem man keine Geheimnisse haben kann. Die übliche lineare Erzählstruktur, in der wir uns so wohl fühlen, wird auch hier wieder in Frage gestellt. Sind Nolans Figuren aus diesem Grund blutleer? Fehlt ihnen der nötige Tiefgang? Mitnichten. Ein Agententhriller benötigt nicht zwingend eine Entwicklung und emotionale Bindung zu seinen Figuren. Dann könnte man sich auch Lindenstraße ansehen. Dieser Film will eine These durchexerzieren. Wir sehen hier das Werk eines Künstlers. Nolan hat ein klares Sujet. Dieses heißt Zeit. In seinen Filmen steckt mehr Kunst als in so manchem altbackenem Arthouse Film, der doch wieder nur das ewig Menschliche durchkaut. Er hat hier den James Bond Film geschaffen, auf den man seit der „radikalen“ Neuauflage der Craig-Bonds wartet. Hier sind die Ideen, der Bombast, den das Blockbuster-Kino braucht. Tenet ist der Film, der nach einer gefühlten Ewigkeit der coronabedingten Kinoschließungen dieser Kunst neues Leben einhaucht. Oder vielmehr einstampft – mit der brachialen Gewalt von Travis Scotts Titeltrack, der einen sobald die Schlusscredits beginnen wieder zurück ins Leben reisst und in einem nur einen Gedanken zurücklässt. Wann gehe ich das nächste mal in Tenet?
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Meine Bewertung 10/10
