Spike Lee erschafft eine Vietnamkriegscollage unter dem Eindruck von Genregrößen wie Copollas Apocalypse Now, Levinsons Good Morning Vietnam oder Kubricks Full Metal Jacket. Der Film ist auf der formalen Ebene frisch erzählt und passt in Zeiten der Black Lives Matter Bewegung ins Bild, wenn man auch die teils platte Story bemängeln muss.
Letztere ist dann auch schnell erzählt. Vier afroamerikanische Veteranen kehren nach Vietnam zurück, um die Überreste ihres gefallenen Kameraden Stormin‘ Norman nach Hause zu bringen und mit ihm einen Goldschatz, den sie in der Eile der Kriegsquerelen dort zurückgelassen haben. Lee übersetzt den klassischen Vietnamfilm ins moderne Setting des Hochglanz-McDonalds-Saigon und stülpt dem vormals vietnamesischen Konflikt die tagesaktuellen Auseinandersetzungen des heutigen Amerikas über, die angeheizt durch einen unfähigen Präsidenten Trump in diesem Jahr einem traurigen Höhepunkt entgegensteuern. So bekommt der hier doppeldeutig thematisierte „american war“ eine ganz neue, aktuelle Konnotation. Nicht allein wird der im Deutschen und Amerikanischen als Vietnamkrieg bezeichnete Konflikt in Vietnam selbst als american war bezeichnet. Die teils bürgerkriegsähnlichen Zustände seiner Heimat, die Spike Lee in seinem Film anprangert, können durchaus auch als american war bezeichnet werden.
Hier hat der Film dann auch seine größten Stärken. Die Vermischung eines der größten amerikanischen Traumata aus dem historischen Kontext mit der heutigen Lebenswirklichkeit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist ein gelungener und pfiffiger Schachzug. Gerade weil der Anteil der farbigen Soldaten so exorbitant höher war (und ist) als der der amerikanischen Bevölkerung im Ganzen bleibt das Bild hängen. Ein Bild des benachteiligten Afroamerikaners, der sein Leben in einem fremden Land hergibt, um eine Heimat zu verteidigen, in der er nicht als vollwertiger Teil der Gesellschaft begriffen wird.
Die Kontextualisierung mit tatsächlichem historischem Filmmaterial der 60er und 70er Jahre sowie Szenen, die an die oben genannten Genregrößen erinnern ist dann auch großartig gelungen. Die Hubschrauber im Sonnenuntergang zwischen Palmen, Richard Nixon, der seinen Rücktritt verkündet, Kriegsszenen von damals. All diese Eindrücke machen Lees Film zu einer wunderbaren Collage, einem Film der neue und alte Konflikte verknüpft und das bislang stärkste politische Statement in einem merkwürdigen Kinojahr abgibt. Auch Netflix kann sich hier auf die Schulter klopfen einen solchen Film ermöglicht zu haben. Dank der Coronakrise kam es leider nicht so weit, dass der Film seinen Weg nach Cannes gefunden hat, wo er als erster Film des Streaminganbieters ein Forum bekommen hätte. Vor dem Hintergrund dieser Verdienste erscheint es verschmerzbar, dass der Film in seinem letzten Drittel ein wenig in die Klamauk-Baller-Schiene abrutscht und das Drehbuch an manchen Stellen etwas arg dürftig daherkommt. Eine Filmempfehlung ist hier dennoch auszusprechen für Cineasten, die Lust auf einen politischen Abenteuerfilm haben und etwas mit dem Hiphop-Gangster-Trashtalk a la Pulp Fiction anfangen können.
Der Film ist auf Netflix verfügbar.
Meine Bewertung 8/10
